Laila Keeling & Anjali Zyla
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Ich bin in Afghanistan geboren, habe das Land aber nach der Machtübernahme von der Taliban verlassen. Meine Familie und ich sind nach Pakistan geflohen, wo ich weiter zur Schule gegangen bin. Ich bin 2003 nach Afghanistan zurückgekehrt, nachdem die Vereinigten Staaten das Land besetzt hatten und meine Familie zurückkehren konnte. Ich habe dann die Universität in Kabul besucht, wo ich russische Literatur studiert habe. Eigentlich wollte ich keine russische Literatur studieren, aber ich habe vor dem Studium eine Prüfung bestanden, die mich für das Fach Literatur qualifizierte. Ich wollte eigentlich eher Journalismus oder Informatik studieren, aber es hat sich einfach so ergeben, dass ich Literatur studiert habe. Ich hatte die Wahl, welche Sprache ich lernen wollte, und habe Russisch gewählt, weil ich es noch nicht kannte. Ich spreche jetzt zwischen 7 und 8 Sprachen. Ich spreche Arabisch, Englisch, Paschtu, Farsi, Urdu und Russisch, aber ich verstehe auch Hindi und Ukrainisch, weil sie so ähnlich sind wie die Sprachen, die ich schon spreche. Es war hilfreich, so viele Sprachen zu kennen, besonders nachdem ich Kabul verlassen hatte.

Ich habe Afghanistan im Jahr 2015 verlassen, als ich etwa 25 Jahre alt war. Ich hatte gerade mein Studium abgeschlossen und beschloss, das Land wegen den Sicherheitsproblemen zu verlassen. Meine Familie ist in Afghanistan sehr bekannt, und alle meine Geschwister sind in der Politik oder in den Medien tätig. Meine Schwester ist eine bekannte Politikerin in Afghanistan, und ihr Leben ist seit der Ankunft der Taliban in Gefahr, vor allem in den letzten sechs Monaten. Sie ist in der Vergangenheit oft in Länder wie die Vereinigten Staaten oder Deutschland gereist, um an politischen Veranstaltungen teilzunehmen, und schließlich ist sie nach Kanada geflohen, weil man ihr ein Visum dort angeboten hat. Mein Bruder hat zehn Jahre lang als Übersetzer für die NATO gearbeitet, so dass er 2014 in die Vereinigten Staaten gehen konnte und jetzt in North Carolina lebt. Als wir alle in Afghanistan waren, lebten wir im Zentrum von Kabul in einer sehr politischen Gegend mit all den Ausländern und Regierungsgebäuden. Wir haben jeden Tag Kämpfe in unserer Nachbarschaft gesehen. Als die deutsche Botschaft bombardiert wurde, waren die Glasfenster unseres Hauses durch die Explosion zerbrochen. Ich musste also wegen all dieser Sicherheitsbedrohungen weggehen.

Ich bin allein nach Russland gereist und war nur auf dem Weg nach Norwegen, wo ich eigentlich hinwollte, also wollte ich nur durch Russland fahren. Leider wurde ich in Russland sehr krank und war mehrere Monate lang im Krankenhaus, darunter zwei Monate im Koma. In dieser Zeit hatte ich viele Operationen und verlor sogar einmal mein Leben. Ich betrachte dies jetzt als mein zweites Leben.

In Russland dachte ich oft, ich würde sterben. Eine Nacht hatte ich so starke Schmerzen, dass jemand den Krankenwagen für mich gerufen hat. Der Krankenwagen ist gekommen, aber sie haben mir gesagt, dass sie mich ohne Papiere nicht ins Krankenhaus bringen können. Sie haben mir nur ein paar Schmerzmittel gegeben. Dann, mitten in der Nacht, habe ich wieder Schmerzen bekommen. Der Krankenwagen ist zurückgekommen, aber er hat mich nicht wieder mitgenommen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, und schließlich wurde ich mit einem dritten Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. Ich habe das Krankenhaus unter dem Namen einer anderen Person betreten, die genauso alt war wie ich und auch aus Afghanistan gekommen ist. Es war, als ob Gott selbst mir diese Person gegeben hätte, die mir so ähnlich war. Am Ende hatte ich eine Art Bauchspeicheldrüse Schaden , aber nach mehreren Operationen fühlte ich mich besser und konnte das Krankenhaus verlassen.

Ich war bei meiner Reise durch Russland nicht sehr erfolgreich. Ich musste ein zusätzliches Dokument vorlegen, das ich nicht hatte, also hat man mir gesagt, ich müsste mich innerhalb von einem Monat abschieben und dürfte fünf Jahre lang nicht zurückkehren. Wenn ich nicht innerhalb dieses Monats ausreisen würde, würde man mich ins Gefängnis stecken. Viele Leute, die ich gekannt habe, wurden ins Gefängnis gesteckt, wenn sie nicht ausreisen konnten. Also musste ich das Krankenhaus gleich nach meinen Operationen verlassen, um rechtzeitig aus Russland auszureisen. Ich habe ein paar Leute gefunden, die Flüchtlingen bei der Überquerung des Landes geholfen haben, weil Russland so groß ist, und sie haben mich zur westlichen Grenze gebracht. Ich habe mich entschieden, die Grenze nach Finnland und nicht nach Norwegen zu überqueren, weil Norwegen die Grenze für Flüchtlinge geschlossen hat, während ich in Russland war, und ich habe gehört, dass Finnland eine gute Möglichkeit wäre, nach Europa zu kommen.

Aber auch Finnland hat in dieser Zeit die Grenze teilweise geschlossen. Ich war mit vielen anderen Flüchtlingen dort, und wir wurden in der Kälte draußen gelassen. Zu dieser Zeit waren es -40 Grad Celsius, und viele Menschen aus Ländern wie Indien oder Afrika waren solche Temperaturen nicht gewöhnt. Ich hatte Glück, denn ich hatte noch gute warme Kleidung aus meiner Zeit in Russland. Wir haben versucht, verschiedene Unterkünfte zu finden, aber in vielen Unterkünften durften die Flüchtlinge gar nicht erst hinein. Wir konnten zwar einige private Unterkünfte finden, aber es war sehr schwierig, eine Unterkunft zu finden, die uns aufnehmen würde. Wir haben mehrere Hotels aufgesucht, aber alle haben sich geweigert, uns aufzunehmen, obwohl es oft schon spät in der Nacht war und es eiskalt war. Drei Flüchtlinge, die mit mir dort waren, sind an einer Nacht an der Kälte gestorben, nachdem sie in einem Auto geschlafen hatten.

Mein Gesundheitszustand war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gut. Ich hatte immer noch eine offene Wunde von meinen Operationen, und die Verbände, die meinen Bauch umhüllten, waren mit Blut gefüllt. Einige finnische Journalisten haben mich gesehen und ein Interview mit mir gemacht, weil ich so schlecht ausgesehen habe und Russisch und Englisch gesprochen habe. Die Journalisten haben einen Artikel geschrieben über die Flüchtlinge, die nach der Schließung der Grenze dort festsaßen, also habe ich ihnen geholfen, für Menschen aus verschiedenen Ländern zu übersetzen. Ich glaube, die Journalisten hatten Mitleid mit mir und haben mir deswegen geholfen, die Grenze zu überqueren, ohne in der Schlange zu stehen. Sie haben mit der Polizei gesprochen und mich dann in ihrem Auto mitgenommen. Jeden Tag durften nur 50-60 Menschen aus Russland nach Finnland einreisen, und selbst die durften nur mit dem Auto über die Grenze fahren. Es war wirklich gut, dass sie mir über die Grenze geholfen haben, denn wäre ich auch nur eine Woche länger geblieben, hätten sie mich ins Gefängnis gesteckt. Eine Familie, die ich gekannt habe, wurde mit ihren kleinen Kindern ein Jahr lang in einem russischen Gefängnis festgehalten und dann zurück nach Afghanistan abgeschoben. Sie kennen kein Erbarmen mit Menschen aus diesen Ländern, aus Nepal oder Bangladesch oder Syrien oder wo auch immer.

Als ich in Finnland angekommen war, haben sie mich auf eine Polizeistation gebracht, weil ich so viel geblutet habe. Ich war damals in einer wirklich schlimmen Situation. Ich hatte zwei Bolzen im Bauch und Eiter lief an mehreren Stellen heraus. Die Polizei hat mich überall durchsucht, aber sie haben mir nicht geholfen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich eine Krankenschwester oder ein Krankenhaus brauche, um meine Wunde zu säubern, und sie haben mir nur gesagt, ich solle in die Duschen gehen, um meine Wunde zu waschen. Ich habe ihnen sogar alle Gründe erklärt, warum ich Afghanistan verlassen musste, und ihnen Papiere gezeigt, um die Sicherheitsbedrohung zu beweisen, aber sie hatten kein Verständnis für meine Situation. Zu dieser Zeit lag der Fokus auf syrischen Flüchtlingen, und sie haben Menschen aus anderen Ländern ignoriert. Die nächste Operation, die ich brauchte, konnte ich in Finnland nie bekommen, aber meine Wunde wurde mit der Zeit besser.

Selbst als meine Wunde geheilt war, hat sich meine psychische Gesundheit verschlimmert. Ich hatte mit schlimmen Depressionen, Angstzuständen und vielem mehr zu kämpfen. Manchmal habe ich 18 Stunden geschlafen, als wäre ich ein Drogenkonsument. In Finnland wurden mir immer wieder Behandlungen und Asyl verweigert, so dass es wirklich schwer war, dort hoffnungsvoll zu bleiben. Ich war fast zwei Jahre lang dort und habe dreimal das Lager gewechselt. Ich habe mich hauptsächlich im Norden Finnlands aufgehalten, weil ich aus einem Gebiet in der Nähe von Kovdor an der russischen Grenze eingereist bin. Die Lager dort waren sehr überfüllt, weil die Grenzen für syrische Flüchtlinge lange Zeit offen waren, so dass 15-16 Personen in einem einzigen Raum untergebracht werden konnten. In dem zweiten Lager, in dem ich sechs Monate lang gelebt habe, waren insgesamt etwa 300 Männer in einem Lager.

Ich habe versucht, so vielen Menschen wie möglich zu helfen, während ich dort im Lager war. Ich bin ein sehr geselliger Mensch und habe daher versucht, mit allen in ihrer eigenen Sprache zu sprechen. Die meisten der Flüchtlinge konnten nicht lesen und schreiben, also war es oft schwierig für sie, Dinge wie Papierkram zu erledigen. Deshalb habe ich mit den Sozialarbeitern zusammengearbeitet, um für die Menschen dort zu übersetzen. Außerdem liebe ich es, für andere Menschen zu kochen, und so habe ich viel Zeit im Lager mit Kochen verbracht.

Ich musste Finnland verlassen, weil ich kurz vor der Abschiebung war. Ich hatte drei negative Bescheide von der Einwanderungsbehörde erhalten, selbst nachdem ich ein Gespräch geführt hatte, bei dem ich ihnen alles erklärt hatte. Aber sie haben mir nicht zugehört, also musste ich einfach weiter warten. Alle haben gesagt, dass ich aufgrund meiner Situation schnell eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen sollte. Als ich einen negativen Bescheid von der Einwanderungsbehörde erhalten habe, haben sogar die Sozialarbeiter und das Sicherheitspersonal um mich geweint. Ich hatte in dieser Zeit wirklich sehr mit Depressionen zu kämpfen, weil ich ständig unter dem Stress einer möglichen Abschiebung war.

In Finnland habe ich gesehen, wie viele Menschen abgeschoben wurden. Mitten in der Nacht ist die Polizei gekommen und hat die Leute angeschrien, dass sie gehen sollen, manchmal haben sie sie sogar getreten. Einer meiner Freunde im Lager ist mitten in der Nacht an gesundheitlichen Problemen gestorben, und die Polizei ist am Morgen gekommen und hat die Leute, mit denen er unterwegs war, abgeschoben. Ich weiß nicht, ob es Familienangehörige waren, aber sie waren alle aus der gleichen Stadt in Nepal, also habe ich geholfen, für sie zu übersetzen. Ich habe versucht, für sie zu kämpfen, weil wir alle dachten: Was macht ihr da? Lässt doch wenigstens die Tränen trocknen, bevor ihr die anderen abschiebt.

Ich habe das Flüchtlingsheim in Finnland verlassen, um nicht abgeschoben zu werden. Ich habe Google Maps benutzt, um meinen Weg nach Deutschland zu finden, und bin mit Bus und Bahn durch Stockholm und Kopenhagen gereist. In Schweden musste ich zwei Wochen länger bleiben, weil ich 2017 dort war, und an der gleichen Zeit hat ein Mensch einen Wagen in eine Menschenmenge gefahren. Die Menschen hatten Angst vor Flüchtlingen und brauner Hautfarbe und haben deshalb die Grenze geschlossen, um nach Personen ohne Papiere zu suchen. Einer meiner finnischen Freunde hat mir gesagt, dass ich in Stockholm bleiben sollte, um nicht geschlagen oder ins Gefängnis gesteckt zu werden, also bin ich dort für zwei Wochen geblieben.

Ich bin Mitte 2017 in Deutschland angekommen. Es war nicht allzu schwer, hierher zu kommen, und ich hatte keine Probleme mit der Polizei. Das einzige Problem war, dass sie mich nach Eisenhüttenstadt geschickt haben, ein Lager in der Nähe der polnischen Grenze, obwohl ich ihnen gesagt hatte, dass ich in Berlin sein wollte, weil ich Englisch spreche und medizinische Behandlung brauchte. Aber es war in Ordnung, denn ich war nur ein oder zwei Monate in Eisenhüttenstadt, es war also eine relativ kurze Zeit. Ich habe versucht, den anderen Leuten zu helfen, während ich dort war, zu übersetzen oder ihre Einkäufe zu erledigen, was immer ich konnte. Die Sozialarbeiter haben mir gesagt, ich solle es langsamer angehen lassen, ich bräuchte Zeit für mich, damit ich genug Energie hätte. Aber ich kann niemanden abweisen, der um 22 Uhr an meine Tür klopft, keine Familie oder Verwandte hat und um Hilfe bittet. Wenn ich die Tür nicht öffnen würde, könnte ich mich dann als Mensch betrachten? Die Sozialarbeiter haben mir schließlich 80 Cent pro Stunde für meine Arbeit gezahlt, aber das war nur etwas zusätzliches Geld für mich und nicht der Grund, warum ich es getan habe.

Während meiner Zeit in Eisenhüttenstadt habe ich das Asylantragsverfahren durchlaufen. Ich habe mehrere Leute gebeten, Empfehlungen für mich zu schreiben und diese zusammen mit Beweisen für meine Situation bei der Ausländerbehörde einzureichen, aber man hat mir gesagt, dass ich zurück nach Afghanistan gehen müsse. Also habe ich weiter gekämpft und versucht, eine Organisation, eine Kirche oder einen Anwalt zu finden, der mir helfen konnte. Ich habe alle meine Dokumente, vielleicht 20 oder 30 Kilo, durch Berlin getragen. Schließlich habe ich eine Organisation namens Xenion in Berlin gefunden. Ich hatte einer Frau aus Tschetschenien beim Übersetzen geholfen, und sie hatte mir von dieser Organisation erzählt. Ich habe sie besucht und ein kurzes Gespräch mit einer netten Dame dort geführt. Sie hat sich meine Geschichte angehört und mir dann Tipps gegeben, wie ich in Deutschland bleiben und Hilfe bekommen kann. Danach haben wir einfach Schritt für Schritt gearbeitet. Ich habe einen Aufenthaltstitel für ein Jahr bekommen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn nächstes Jahr wieder bekommen kann. Es kann sein, dass sie mich wieder in mein Land zurückschicken.

Nach Eisenhüttenstadt wurde ich in ein zweites Lager geschickt, wo ich etwa acht Monate geblieben bin. Dann bin ich Anfang 2018 hierher nach Luckenwalde gekommen. Dieses Heim war bisher gar nicht so schlecht. Es ist viel schöner als in Finnland, weil es nur drei Männer pro Zimmer gibt. Wenn man Glück hat, bekommt man einen guten Mitbewohner. Ansonsten kann es nervig werden, wenn sie respektlos sind, wenn man schlafen will.

Ich habe hier ein paar Probleme erlebt. Ich musste mehrmals die Polizei rufen, weil es Beschwerden gab, wie z. B. dass Leute Geld gestohlen oder im Zimmer geraucht haben. So etwas ist ganz normal. Es gibt überall Leute, die so etwas tun. Aber die Polizei hat nie auf unsere Anzeigen reagiert, also musste ich mich selbst verteidigen. Wenn es niemanden gibt, der sich um dich kümmert, musst du es selbst tun.

Ich musste mich auch sehr anstrengen, um hier ein Einzelzimmer zu bekommen, weil ich gesundheitliche Probleme hatte. Im Jahr 2018 hatte ich endlich in Berlin die Operation an meinem Bauch, die ich brauchte. Sie setzten mir eine Art Netz und Klammern in den Bauch, um ihn danach zusammenzuhalten, also war mein ganzer Körper von dieser Operation betroffen. Mehrmals habe ich Beweise für meine medizinische Situation an das Amt geschickt, damit ich allein leben kann, aber niemand hat darauf reagiert. Kurz nach der Operation wurde ich in ein anderes Zimmer auf der anderen Seite des Flurs verlegt. Das habe ich natürlich getan, weil sie mein altes Zimmer an eine afrikanische Familie vergeben wollten. Aber niemand hat zugehört, niemand hat gedacht: Oh, dieser Mensch ist krank, er sollte bleiben. Letztes Jahr konnte ich endlich ein Einzelzimmer bekommen, aber sie versuchen immer wieder, mehr Leute in mein Zimmer zu bringen. Das ist die Erfahrung meines Lebens, oder vielleicht könnte ich sagen, der größte Teil meines Flüchtlingslebens.

In den ersten Jahren hier hatte ich auch große Schwierigkeiten, die Sprache zu lernen. Der Stress durch meine Krankheit und die Behandlung machte es mir schwer, mich auf etwas zu konzentrieren. Manchmal habe ich versucht, allein zu lernen, aber das war wegen der Schmerzen schwierig. Ich würde gerne Deutsch lernen, und ich sollte es auch können. Ich lerne ständig verschiedene Sprachen; ich habe sogar meine eigene Sprache wieder gelernt, als ich als Kind zurück nach Afghanistan gekommen bin. Trotzdem ist es schwer, sie allein zu lernen.

Ich habe erst vor drei Monaten endlich eine Arbeitserlaubnis erhalten. Ich glaube, sie wollen, dass ich direkt arbeiten gehe, damit ich Geld verdiene und für mich und natürlich für die Steuern aufkommen kann. Aber zuerst möchte ich mein Deutsch verbessern. Ich möchte ein B2-Niveau erreichen und dann an die Universität studieren, um eine Art Sozialarbeiter oder Lehrer zu werden. Viele Leute haben mir geraten, dass ich, solange ich hier bin, etwas aus meinem Leben machen und mir einen Job suchen sollte, damit ich hier ein angenehmes Leben führen kann. Ich sage ihnen, dass ich nur Zugang zu einem Deutschkurs brauche, dann kann ich genug lernen, um zu arbeiten.

Nachdem ich seit fünf Jahren in diesem Land bin, konnte ich gestern endlich meinen A1-Deutschkurs beginnen. Das Jobcenter hat ihn mir offiziell genehmigt, aber ich verstehe nicht, warum es so lange gedauert hat. Warum spielen sie so mit den Menschen? Die Hoffnungen und das Leben der Menschen hängen von der Sprache ab, warum macht man es ihnen also so schwer? Ich möchte zu der Universität oder eine andere höhere Ausbildung gehen, damit ich hier ein gutes Leben führen kann, aber zuerst muss ich die Sprache lernen. Ich habe von einem Freund gehört, dass es sogar an der Universität eine Beschränkung für Flüchtlinge gibt; wenn ich älter als 36 Jahre bin, bekomme ich keine Unterstützung vom Jobcenter. Ich muss also schnell Deutsch lernen, um in Deutschland studieren zu können.

Mein Deutschkurs ist gut. Die nächsten 8 Monate ist der Kurs fast Vollzeit, und hoffentlich schaffe ich in dieser Zeit B1. Ich bin überrascht, wie viele Ukrainer in meinem Kurs sind. Wie kommt es, dass manche Leute so viel Glück haben, dass sie schon in den ersten Wochen Zugang zu allem bekommen, während ich fünf Jahre lang kämpfen musste? Ich beschwere mich nicht darüber, aber ich finde es verrückt. Mit vielen von ihnen spreche ich im Unterricht auf Ukrainisch, und wir sind Freunde geworden. Sie haben mir erzählt, dass sie bald in ihr Land zurückkehren werden, und scherzten, dass ich die Klasse für mich allein haben würde. Ich habe gesagt: Nein, so habe ich das nicht gemeint! Es ist nur so, dass das System nicht gut ist. Einige meiner Freunde haben noch nicht einmal Zugang zu einem Integrationskurs. Auch wenn wir für das Geld, das wir bekommen, dankbar sind, wäre es besser, wenn wir auch einen Kurs besuchen könnten. Warum gibt es nicht für alle Flüchtlinge Kurse? Es ist nicht gut für die Gesellschaft, wenn wir die Kultur und die Sprache nicht lernen.

Für Flüchtlinge ist es auch schwieriger, die deutsche Sprache zu lernen als für Menschen aus Spanien oder anderen Ländern. Wir haben so viele Probleme, dass es schwer ist, neue Dinge zu lernen. Wenn man es bequem hat und nicht über sein Leben nachdenken muss, kann man Dinge schnell lernen. In meiner Sprache gibt es ein Sprichwort, das bedeutet: Du bringst die Probleme und den Kummer von draußen in dein Zimmer. Wenn man den ganzen Schmerz von draußen sieht, bringt man diesen Schmerz mit nach Hause, so dass man weder schlafen noch sich ausruhen kann.

So ist es in meinem Leben seit 2015. Keine Ruhe. Kein Frieden, nicht einmal in meiner eigenen Wohnung. Draußen habe ich viele rassistische Menschen gesehen, die schreckliche Dinge tun, und ich bringe das in mein Zimmer. In Brandenburg sagen sogar Ärzte rassistische Dinge. Einmal bin ich in eine Arztpraxis gegangen und konnte mit der Assistentin Russisch sprechen. Ich habe ihr gesagt, dass ich Englisch spreche, und sie hat mir gesagt, dass ich mit einem Übersetzer kommen muss, obwohl es nur ein Bluttest war. Aber sie hat mich nett gefunden und gesagt, sie würde den Arzt fragen, ob er diesmal eine Ausnahme machen und mich akzeptieren würde, weil er Englisch spricht. Der Arzt kommt heraus und fängt einfach an, mich auf Englisch zu beschimpfen, indem er Dinge sagt wie: “Hey motherfucker, get out of here!” Das Gleiche passiert in Berlin. Sie sagen mir, dass ich zu all meinen Terminen einen Übersetzer mitbringen muss, obwohl ich Englisch und ein bisschen Deutsch spreche. Warum sollte ich für so etwas wie eine Blutuntersuchung einen Übersetzer brauchen?

Ansonsten war die medizinische Versorgung in Deutschland bisher gut. Ich konnte mich operieren lassen und gehe oft zu den Kontrolluntersuchungen. Manchmal habe ich noch starke Schmerzen, aber dann kommt der Krankenwagen und bringt mich ins Krankenhaus. Ich habe hier eine Versicherungskarte, die ich bei meiner Ankunft erhalten habe, nicht wie in Finnland.

Ich weiß noch nicht, ob ich in Deutschland bleiben will. Als ich Afghanistan verlassen habe, wollte ich in ein Land wie Norwegen oder Finnland gehen, wo die Mehrheit der Menschen Englisch spricht. Aber es hat sich ergeben, dass ich in Deutschland gelandet bin, was schwierig war. In Brandenburg ist es noch schwieriger, weil die Leute nicht so viel Englisch sprechen. Wenn ich von diesem ganzen Asylverfahren und dem Duldungsstatus gewusst hätte, wäre ich nicht hierher gekommen. Aber die Organisation in Berlin hat mir gesagt, dass ich bleiben soll, und sie sind so freundlich, dass sie mich überzeugt haben, noch ein bisschen länger hier zu bleiben.

Ich bin ein positiver Mensch. Ich habe so lange in einer hoffnungslosen Situation gelebt, aber ich habe beschlossen, dass ich hoffnungsvoll bleiben werde. Ich weiß nicht, worauf ich meine Hoffnung setze, aber ich weiß, dass ich niemals aufgeben werde. Ich glaube, dass nach jeder dunklen Nacht ein heller Tag kommt. Ich möchte einfach nur einen friedlichen Ort finden, an dem ich mich ausruhen kann und tief durchatmen kann. Im Flüchtlingsheim ist es wegen den Kindern und den Lärm in der Nacht, oft schwer zu schlafen.

Ich wollte nie ein Flüchtling sein. Wenn der Krieg in Afghanistan nicht gewesen wäre, wäre ich dort geblieben. Ich war so glücklich. Ich liebe mein Land. Alle meine Geschwister und ich wollten bleiben und Afghanistan helfen. Wir wollten nicht, dass die NATO oder die Vereinigten Staaten unserem Land diese Dinge antun, dass sie alles aufgeben. Ich komme aus dem Norden und weiß, dass die Taliban dort jede Nacht Menschen umbringen. Mehr als 90 % der Bevölkerung leben jetzt in Armut, weil sie nichts tun können. Ich verstehe nicht, warum sie jetzt, wo sie an der Macht sind, nicht helfen. Sie können doch etwas für das Land tun, für die Menschen! Aber sie stellen keine Arbeitsplätze zur Verfügung, sie lassen die Frauen nicht arbeiten oder studieren. Ich glaube, dass Afghanistan ein sehr schlechter Tag bevorsteht. Wir haben in unserem Land schon seit langem so viel Trauer erlebt. Trotzdem wollte ich mein Land nicht verlassen müssen. Warum sollte ich dieses Leben wählen? Ich habe so viele Schmerzen und muss trotzdem immer wieder kämpfen. Trotzdem bin ich dankbar für das deutsche Volk. Ich bin in dieses Land gekommen, um es zu schätzen. Wenn ich mein Land nicht verlassen müsste, würde ich Europa besuchen und als Tourist nach Deutschland kommen. Wir sind schließlich alle Menschen. So ist die Schöpfung Gottes. Der eine lebt vielleicht in Afrika, der andere in Afghanistan, ein anderer in den Vereinigten Staaten, ein anderer in Deutschland. Leben ist Leben.

Ich weiß nicht, was in einem Jahr passieren wird, wenn ich meinen Aufenthaltstitel erneut beantragen muss. Ich kann nur versuchen, mein Bestes zu tun, um mein eigenes Leben zu retten. Ich wurde seit 2015 mit so vielen Problemen und Schwierigkeiten konfrontiert, aber ich versuche immer noch, Menschen zu helfen. Als Mensch, als Flüchtling, ist das alles, was ich tun kann. Ich muss mein Leben weiterführen, auch wenn es nicht einfach ist, auch wenn ich es nicht liebe.

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