Märkische Allgemeine

Teltow-Fläming: Analyse zur Situation von Geflüchteten zeigt Defizite in Heimen

Die Situation von Flüchtlingen zu verstehen und zu verbessern steht im Zentrum eines Projektes im Landkreis Teltow-Fläming. Eine erste Analyse des Ist-Zustandes erfolgte in der vergangenen Woche.

04.06.2022

Teltow-Fläming. Die aktuelle Situation der Flüchtlinge im Landkreis Teltow-Fläming steht im Mittelpunkt eines Projektes von Social Science Works und dem Landkreis Teltow-Fläming. Die Mitarbeiter des Instituts führten dazu zahlreiche Interviews – mit Geflüchteten, aber auch mit Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften, Ämtern und Behörden und ehrenamtlichen Helfern, um Antwort auf die Frage “wie steht es um die Integration” zu finden.

Als Vorreiter hatte die Gemeinde Rangsdorf im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit dem Institut gesucht. Die folgende Analyse ließ zunächst viele Gemeindevertreter ratlos zurück. Um dennoch die Bedingungen und die Lebensumstände der zum Teil seit vielen Jahren im Landkreis lebenden Geflüchteten genauer unter die Lupe zu nehmen, führt die Landkreisverwaltung aktuell ein ähnliches Projekt auf Kreisebene mit dem Institut durch.

Zwischenbericht in Luckenwalde vorgestellt

Die Situation ist verzwickt, das liegt an vielen Dingen. Da ist zum einen das Aufenthaltsrecht, das Einreise, Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und die Aufenthaltsbeendigung regelt. Abhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus dürfen Geflüchtete die Sprache lernen und im günstigsten Fall einer Erwerbsarbeit nachgehen. Wer keinen gesicherten Aufenthaltsstatus hat, darf nicht einmal an geförderten Sprachkursen teilnehmen. Das alles vor dem Hintergrund der Forderung nach Integration.

In den mehr als 40 Interviews mit Geflüchteten, die das Institut unter der Leitung von Professor Hans Blokland geführt hat, klagen denn auch viele Betroffene darüber, dass ihnen die Integration so schwer gemacht wird. „Mütter können nicht arbeiten oder einen Sprachkurs besuchen, weil sie keinen Kitaplatz bekommen“ heißt es in einer Präsentation, die der MAZ vorliegt. Sie diente als Zwischenbericht, der in der zurückliegenden Woche in Luckenwalde vorgestellt wurde.

Diagnose: Depression und Hoffnungslosigkeit

In einer Runde von mehr als fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Bereichen, die in die Flüchtlingsarbeit im Landkreis involviert sind, weist das Institut noch auf weitere Probleme hin: „Viele Leute beschweren sich, dass ihre psychische Gesundheit sich verschlimmert, weil sie nichts machen können. Das führt zu Depression und Hoffnungslosigkeit.“ Dazu trägt sicherlich auch der Zustand der Unterkünfte bei: „Heim ist sehr schmutzig“ heißt es da. „Vieles ist kaputt und wird nicht repariert.“

Aktuell mache sich Unmut unter den Geflüchteten breit über die „ungleiche Behandlung von Flüchtlingen, vor allem jetzt mit den Ukrainern.“ Lange Tage im Heim ohne Struktur, ohne eigenes Dach über dem Kopf machen das Leben schwer. „Die meisten wollen eine eigene Wohnung und beschweren sich, dass sie nicht genug Unterstützung bekommen.“ Mehr noch: Immer wieder erreichen die MAZ Nachrichten, dass Geflüchtete, die einer Arbeit nachgehen und die eigenes Geld verdienen und die ohne Zutun der Behörden eine Wohnung gefunden haben, der Umzug in eine private Wohnung von Amts wegen verwehrt wurde.

Heimleiter und Sozialarbeiter ausgebrannt

Verzwickt ist die Situation in den Flüchtlingsheimen in Teltow-Fläming aber auch, weil Heimleiter und Sozialarbeiter immer mal wieder ans Aufhören denken. „Fast alle klagen über Überlastung. Viele stellen fest, dass sie ausgebrannt sind.“ Statt Motivation beherrsche Resignation und Gleichgültigkeit die Situation. In Ausländerbehörden, Sozialamt, Jobcenter und Arbeitsagentur sehe es ähnlich aus.

Oft können nicht einmal die Sozialarbeiter Entscheidungen der Ausländerbehörde nachvollziehen, sie teilen ihr Unverständnis mit den betroffenen Geflüchteten. Nach dem Eindruck der Sozialarbeiter „hängen sie oft vom Zufall und von den persönlichen Vorlieben oder Interpretationen der beteiligten Beamten ab“ heißt es im Vortrag. Heimleiter und Sozialarbeiter vermuten mitunter Absicht: „Viele Bewohner der Heime sollen nicht integriert werden, weil sie keinen Aufenthaltstitel haben und immer noch abgeschoben werden können. Eine erfolgreiche Integration könnte aber die Abschiebung erschweren.“

Unverständnis über Vertragslaufzeiten für die Übergangswohnheime

Unverständnis herrscht unter den Heimleitern auch über die Vergabepraxis mit jeweils zweijährigen Laufzeiten für die Bewirtschaftung der Übergangsheime. „Wenn die Betreuer im Ablauf der zwei Jahre endlich die Netzwerke aufgebaut haben, die sie für die Unterstützung, für die Suche nach Arbeit oder Wohnung brauchen, endet der Vertrag“, kommentierte im Nachhinein eine Teilnehmerin an der Präsentationsveranstaltung, die ungenannt bleiben will.

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Nicht zuletzt zu der aktuellen Situation beigetragen hat auch der Rückzug der Freiwilligen, die 2015 in großer Zahl unterstützend gewirkt haben. „Anfang 2022 wird die Zahl in Teltow-Fläming voraussichtlich nicht mehr als 80 Personen betragen“, heißt es. Eine Zahl, die zu gering ist, um auf die Herausforderungen der Integration reagieren zu können.

Von Udo Böhlefeld

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