Laila Keeling & Anjali Zyla
Letzte Artikel von Laila Keeling & Anjali Zyla (Alle anzeigen)

Ich war 17 Jahre alt, als ich Gambia verlassen habe. Ich bin alleine gereist und habe meine Familie zurückgelassen. Ich bin nicht gegangen, um vor einem Krieg oder Ähnlichem zu fliehen, sondern eher wegen persönlichen Probleme. Es war nicht mein Traum, nach Deutschland zu kommen, aber ich wusste, dass ich Gambia verlassen musste.

Die Reise hierher war unglaublich schwierig. Ich spreche nicht gerne darüber, aber ich habe auf dieser Reise so viele Dinge erlebt. Ich bin von Gambia nach Senegal gereist, dann nach Mali und von dort nach Burkina Faso. Dann fuhr ich durch Niger nach Libyen. Die Reise war wirklich schrecklich. Es dauerte insgesamt drei Monate, plus drei weitere Monate in Italien, nachdem ich Libyen verlassen hatte. Während meiner Zeit in Italien habe ich nur darüber nachgedacht, ob ich dort bleiben sollte, oder versuchen sollte, nach Deutschland zu kommen. Da muss jeder selbst überlegen, was für sich am besten ist. Für mich ist Deutschland viel besser, für meine Zukunft.

Ich glaube aber nicht, dass es eine gute Idee ist, diese Reise zu machen. Es gibt viele Menschen, die diese Reise versuchen und denken, dass sie es schaffen werden, wenn sie hier sind, aber sie schaffen es nicht. Sie haben hier ein unglückliches Leben. Manchmal bereue ich es, die Reise gemacht zu haben, aber ich muss jetzt auf mich selbst vertrauen.

Ankommen in Deutschland

Ich kam Ende 2016 in Deutschland an. Mein erster Tag in Deutschland war unglaublich überwältigend, aber insgesamt war es okay. Es gab viele Leute, die mir sagten, ich soll hierhin gehen, ich soll dorthin gehen, ich muss mich anmelden usw., aber ich hatte keine Probleme damit. Die Deutschen haben mich wirklich unterstützt, und ich danke ihnen sehr für alles, was sie bei meiner Ankunft für mich getan haben. Ich wohnte in einem Flüchtlingsheim für alleinreisende minderjährige Flüchtlinge in Freiburg. Dort war es gut. Sie haben uns sehr geholfen, mit allem, was wir brauchen könnten. Es ist ein großes Flüchtlingsheim für Neuankömmlinge, deshalb versuchen sie, das Leben dort einfacher zu machen. Sie haben mir geholfen, zur Schule zu gehen und Deutsch zu lernen. Als ich hierherkam, sprach ich kein Deutsch, aber jetzt kann ich mich ziemlich gut verständigen. Deutsch zu lernen ist nicht einfach, aber es ist der erste Schritt, um sich hier zu integrieren und erfolgreich zu sein. In Freiburg gab es eine Schule, die uns von Anfang an Deutsch beigebracht hat, und sie haben uns auch bei den Hausaufgaben geholfen, wenn wir das brauchten. Außerdem hatte ich in Freiburg einen großen Freundeskreis aus meinem Heimatland, und das war schön.

Später wurde ich nach Jüterbog versetzt, was im Vergleich zu Freiburg sehr isoliert war. Man sieht dort nicht so viele Leute, weil es eine kleinere Stadt ist, und es ist schwer, Freunde zu finden. Außerdem war es nach Freiburg klar, dass ich mich selbst unterstützen muss. Ich musste lernen, viele Dinge selbst zu tun, zum Beispiel zum Arzt zu gehen. Manchmal gibt es hier Unterstützung beim Übersetzen und so weiter, aber beim Übersetzen brauche ich keine Hilfe mehr. Nach Jüterbog wurde ich nach Großbeeren versetzt (wo ich meine Freundin kennengelernt habe), dann nach Luckenwalde, und jetzt bin ich in Rangsdorf. Ich bin jetzt seit etwas mehr als fünf Jahren in Deutschland, und in dieser Zeit war ich bereits in fünf Flüchtlingsheimen. In sechs Monaten muss ich auch nach Großbeeren zurückziehen. Das Leben in den Heimen war bisher nicht allzu schlimm. Manchmal haben die Leute Probleme miteinander, aber das ist normal, wenn man mit Menschen zusammenlebt. Man hat Probleme, und dann geht man weiter.

Arbeiten in Deutschland

Als ich das erste Mal in Großbeeren lebte, arbeitete ich bei einem Tech-Unternehmen namens Ingram. Ich kannte einige Leute, die dort arbeiteten, und sie sagten mir, ich sollte einfach zum Fulfillment Center gehen und mich dort für eine Stelle bewerben, weil sie normalerweise nicht auf Online-Bewerbungen antworten. Das Jobcenter hat mir nicht geholfen, diesen Job zu bekommen, aber ich brauche auch nicht so viel Hilfe wie andere, weil ich Deutsch spreche und die meisten Dinge selbst machen kann. Es war ein guter Job, und ich habe hauptsächlich online gearbeitet oder Kartons für Firmen wie ASOS gepackt. Die Bezahlung dort war ziemlich gut, und sie bezahlten direkt nach den Arbeitsstunden.

Ich habe meinen Job bei Ingram aufgegeben, um hier in Deutschland eine Ausbildung zu machen, denn ich möchte etwas Eigenes machen und mein eigener Chef sein. Ich habe gedacht, dass eine Ausbildung mir dabei helfen wird. Allerdings war es damals schwer, eine zu finden, denn die meisten Leute sagten mir, ich müsste mein Deutsch erst verbessern. Aber es war schwierig für mich, mein Deutsch zu verbessern, weil die meisten Arbeiter bei Ingram Ausländer waren, also gab es nur wenige Deutsche und wenige Leute, die Deutsch sprechen. Ich wollte mit den Deutschen zusammenarbeiten, um mein Deutsch zu üben, aber es war ein Teufelskreis, in dem ich versuchte, Arbeit zu finden und gleichzeitig meine Deutschkenntnisse zu verbessern.

Da ich keine Ausbildung finden konnte, nahm ich eine neue Stelle in Großbeeren bei GLS an, einem anderen Vertriebszentrum. Dieser Job war viel schwieriger. Wir arbeiteten den ganzen Tag lang, von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Dazwischen konnten wir nur schlafen und wieder zur Arbeit gehen. Das war das Hauptproblem: Ich hatte keine Zeit, um zu studieren oder Deutsch zu lernen. Die Bezahlung dort war auch nicht so gut, obwohl wir sehr viel gearbeitet haben. Manchmal haben die Chefs ohne einen Grund die Zahlungen eingestellt. Ich weiß nicht, warum sie das taten, wahrscheinlich nur, weil wir Immigranten waren und sie das ohne Konsequenzen tun konnten. Am Ende habe ich gekündigt, weil es zu viele Stunden waren und ich mich auf mein Studium und meine Integration konzentrieren wollte.

Pläne für die Zukunft

Ich spiele in einer Fußballmannschaft mit einigen Deutschen hier, und das ist einer der Gründe, warum mein Deutsch so gut ist. Einer meinen Mitspielern, Markus, hat mir einen Job als Maschinenreiniger in seiner Firma angeboten, und das würde ich sehr gerne machen. Er ist ein guter Mensch, und wir haben beim Fußballspielen viel miteinander geredet. Ich denke, dass ich durch diesen Job viel von ihm lernen kann. Außerdem ist der Job sehr interessant, weil wir jeden Tag etwas anderes machen, und das ist perfekt für mich. Allerdings kann ich jetzt nicht dort arbeiten, weil ich noch ein anderes Dokument brauche, um diesen Job zu bekommen. Ich habe jetzt eine Duldung, und sie haben mir gesagt, dass ich einen weiteren Identitätsnachweis brauche, um dieses Dokument zu erhalten und arbeiten zu können. Leider ist meine Geburtsurkunde noch in Gambia. Also habe ich Leute angerufen, die noch dort sind, um mir zu helfen, sie zu bekommen. Es ist allerdings nicht einfach, sie zu bekommen, wenn man nicht vor Ort ist. Man muss eine Menge Geld bezahlen, also versuche ich, jemanden zu finden, der mir helfen kann, die Geburtsurkunde zu bekommen. Markus hat mir sehr geholfen und sogar die Ausländerbehörde angerufen, um über mich zu sprechen, aber ich warte immer noch auf ein Update. Ich würde mich freuen, wenn ich von der Regierung mehr Hilfe bekommen wurde, dieses Dokument zu kriegen, aber wenigstens hilft mir Markus.

Sobald ich diesen Job habe, werde ich meine Zeit zwischen Arbeit und Studium aufteilen. In Gambia habe ich meine Schule nach der 9. Klasse beendet und mache gerade einen Kurs in Online-Marketing, weil ich eines Tages mein eigenes Unternehmen führen möchte. Wenn ich damit fertig bin, gehe ich vielleicht in 2 bis 3 Jahren wieder zur Schule und studiere etwas anderes, das mit Geschäft zu tun hat, aber jetzt will ich mich erst einmal auf meine Arbeit und mein Studium konzentrieren. Ich möchte auch weiter Deutsch lernen, damit ich die nächste Stufe erreichen kann, bevor ich meinen Job beginne. Im Flüchtlingsheim kann es schwierig sein, zu lernen, weil es so laut ist. Am Tag ist es zu laut, und nachts muss ich mich ausruhen.

Wenn ich nach Großbeeren zurückkehre, möchte ich mir eine eigene Wohnung suchen, damit ich stabiler bin und meine eigene Ruhe habe. In ein paar Jahren würde ich gerne in Berlin leben, weil man dort viel unternehmen kann. Ich habe Freunde aus meinem Heimatland, die in Berlin leben und für mich wie eine Familie sind, und die jetzt ihre Ausbildung beenden und dort arbeiten. In der Zukunft möchte ich auch anderen Menschen mehr helfen. In Rangsdorf habe ich früher manche von den jüngeren Flüchtlingen geholfen beim Deutsch übersetzen, und bei der Arbeitssuche. Ich möchte noch mehr tun und anderen helfen, so viel wie ich kann.

Überlegungen zum Leben in Deutschland

Als ich Gambia verlassen habe, wollte ich einen Ort finden, an dem ich meine eigene Ruhe haben kann. Ich wollte nicht mehr die Probleme haben, die ich dort hatte; ich wollte einen Ort finden, an dem ich nicht dieselben Sorgen hatte. Hätte es diese Probleme nicht gegeben, wäre ich wahrscheinlich nur zum Studieren oder zu Besuch hierhergekommen und hätte dann in mein Heimatland zurückkehren können. Ein Flüchtling zu sein, in einem Haus mit vielen verschiedenen Menschen zu schlafen, war eigentlich nicht, was ich ursprünglich wollte. Einen Immigranten zu sein ist nicht einfach, das wünscht man sich nicht. Es gibt keinen Ort wie die eigene Heimat, und ein Flüchtling zu sein bedeutet, dass man seine Heimat für lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, verlassen muss. Wegen der Probleme, die ich zu Hause hatte, kann ich jetzt nicht mehr nach Gambia zurückkehren. Die Einwanderung hat viel Stress und Druck mit sich gebracht, aber es hat sich gelohnt, von meinen persönlichen Problemen zu entfliehen. Ich bin glücklich hier in Deutschland.

Meine Zeit in Deutschland hat mich definitiv sehr verändert. Wie ich spreche, mich bewege, und sogar denke hat sich verändert. Ich komme hier mit Menschen aus der ganzen Welt in Kontakt – nicht nur aus Deutschland – und habe so viel gelernt und mich an viele verschiedene Kulturen angepasst. Ich habe angefangen, mich als Deutscher zu fühlen, als wäre dies mein Land. Ich fühle mich hier zu Hause. Ich kann die Sprache sprechen und mit den Leuten kommunizieren. Ich spiele in einer Fußballmannschaft mit deutschen Leuten, ich habe deutsche Freunde, ich habe hier verschiedene Jobs gemacht. An einige Dinge in Deutschland konnte ich mich sehr schwer anpassen, z. B. wie pünktlich die Deutschen sind, aber wir sind alle Menschen. Am Ende gibt es keine Unterschiede.

Trotz der Verbundenheit, die ich mit Deutschland fühle, habe ich hier viel Diskriminierung erlebt. Ich weiß, dass die Deutschen vor uns kommen werden, aber manchmal ist es für mich schwierig, alltägliche Dinge zu machen. Es dauert zwei Stunden, bis ich einen Termin beim Arzt bekomme, und bei der Arbeit werde ich regelmäßig übergangen. Im Zug machen betrunkene Leute spöttische Kommentare, aufgrund meiner Hautfarbe. Ich mache aber nichts dagegen. Ich würde mein Leben verteidigen und mich nicht verprügeln lassen, aber ich habe keine Zeit, mit ihnen zu streiten oder eine Schlägerei anzufangen.  Ich versuche, diesen Leuten nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken oder mich darüber aufzuregen. Ich versuche gerade, mich in Deutschland zu integrieren, also konzentriere ich mich nur auf mich selbst und meine Arbeit. Ich kann es diesen Leuten nicht verübeln, denn es zeigt, dass sie einfach keine Ahnung haben von dem Leben der Schwarzen und der Einwanderer im Allgemeinen. Das ist das Problem: Manche Leute wissen nicht, wie schwierig es ist, hier ein Einwanderer zu sein.

Ich denke, es ist wichtig, mit den Menschen in den Flüchtlingsheimen zu sprechen, um ihre Probleme besser zu verstehen. Viele Menschen brauchen einfach jemanden, mit dem sie reden können, der sie fragt, was sie brauchen. Manche Menschen werden verrückt in den Heimen; sie trinken und rauchen zu viel, aber man kann ihnen keine Schuld geben, denn es ist die Situation, die sie dazu bringt. Jemand muss diese Menschen fragen, was sie gut können, und ihnen die Dinge geben, die sie brauchen, um erfolgreich zu sein, wie zum Beispiel die Schule. Es gibt hier in den Heimen so viele junge Menschen mit Talenten, die ungenutzt bleiben.

Jetzt, wo ich hier bin, bin ich stolz auf alles, was ich erreicht habe, seit dem ich in Deutschland bin. Ich hatte hier viele Probleme und Schwierigkeiten – und habe sie immer noch -, aber ich muss mich selbst vertrauen. Ich habe das Gefühl, dass ich es schaffen kann. Ich weiß, dass es hier nicht einfach sein wird, weil ich keinen Staatsbürger bin, aber ich weiß, dass es besser werden wird. Mein Traum ist es jetzt, jemand in Deutschland zu sein, mich selbst zu versorgen und meine eigene Kraft zu haben. Ich möchte mir selbst helfen können und anderen Menschen helfen. Ich weiß, dass ich es schaffen kann, wenn ich für mich selbst einstehe und nicht aufgebe. Nur dann kann ich meine Träume verwirklichen.

Leave a Reply

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.