Die Lebenssituationen in den Unterkünften für Geflüchtete Personen sind gerade für junge Menschen besonders herausfordernd. Die Fluchterfahrungen und die unsichere Situation in den Unterkünften gehen auch an Kindern und Jugendlichen nicht spurlos vorbei. Es ist für sie wichtig zu wissen, dass sie mit dieser Situation nicht allein sind. Gerade Mädchen benötigen, aufgrund der zusätzlichen Diskriminierungserfahrungen in Bezug auf ihr Geschlecht, einen Zugang zu Räumen des Empowerments.

Im Frühjahr 2023 führte Social Science Works ein Projekt mit Mädchen durch, welche in einer Geflüchtetenunterkunft in Potsdam leben. Durch den Mädchentreff wurde versucht ein Schutzraum zu schaffen, welcher einen Austausch sowie Vernetzung untereinander ermöglicht. Frei von (Rollen-) Erwartungen und Ansprüchen konnten sich die jungen Frauen begegnen, um gemeinsam ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln. Im Folgenden beschreiben wir kurz die durchgeführten Aktivitäten und die erzielten Ergebnisse.

Die Mädchengruppe hatte von Beginn an etwa 12 Teilnehmerinnen. Dies haben wir insbesondere einer außerordentlich engagierten Teilnehmerin zu verdanken, welche alle anderen stets an unsere Treffen erinnert. Es zeigte sich allerdings als herausfordernd unsere geplante Altersgruppe zu erreichen, da vor allem die jüngeren Mädchen mehr Interesse an dem Projekt zeigen. Wir müssen häufig Mädchen, aber auch Jungs, an der Tür abweisen. Bei Fragen oder Problemen dieser Art ist die Sozialarbeiterin der Unterkunft allerdings stets eine große Stütze. So bot sie in dieser Situation den jüngeren Kindern eine andere Aktivität an. Zu Beginn des Projektes gab es Schwierigkeiten bei der Einhaltung von allgemeinen Gesprächsregeln. Aus diesem Grund haben wir beim zweiten Treffen gemeinsam Gruppenregeln aufgestellt. Hierbei haben sich alle aktiv eingebracht und schlussendlich unterschrieben (siehe Foto). Die Mädels verweisen bei Verstößen untereinander selbst darauf. Innerhalb der ersten Wochen haben wir festgestellt, dass eine fortlaufende Strukturierung der gemeinsamen Zeit optimal funktioniert. Wir haben stets mit einem gemeinsamen Spiel wie etwa Obstsalat oder Stille Post begonnen. Dies half uns dabei die Atmosphäre aufzulockern und stärkte den Zusammenhalt untereinander. Mit der Zeit kamen immer mehr Teilnehmerinnen mit Spielideen auf uns zu. Für jede Woche haben wir uns ein Oberthema überlegt, welches wir nach dem gemeinsamen Spiel betrachteten. Beispiele dessen sind: Grenzen setzen & Nein sagen, Glück, Selbstwahrnehmung, Schönheitsideale oder Liebe.

Den Start in die Thematiken gestalten wir zumeist durch ein Brainstorming innerhalb der Gruppe. Hierfür bereiten wir ein paar Fragen, Stichworte oder kleine Filmausschnitte vor, wodurch der Austausch angeregt wird. Die Ergebnisse werden dann auf Plakaten festgehalten (siehe Fotos). Zu Anfang der Treffen war es vielen Teilnehmerinnen unangenehm vor der Gruppe zu sprechen. Dies hat sich mit der Zeit gelegt, sodass eine aufgeschlossene Kommunikation möglich wurde. Die Mädchen öffneten sich immer mehr und erzählten auch von ihren privaten Erlebnissen. Viele dieser Plakate hängen bis heute in den Räumlichkeiten und werden von den Mädchen immer wieder angeschaut. Dadurch entsteht auch nach unserem Treffen eine weitere Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik. Nach der gemeinsamen Gestaltung der Plakate vertiefen wir das Besprochene mittels methodischer Übungsangebote. Ein Beispiel dessen ist eine Übung, wobei es darum geht, laut und deutlich Stopp zu sagen, sobald eine Person in den persönlichen Bereich eintritt. Des Weiteren haben wir diverse Achtsamkeitsübungen wie etwa bewusstes atmen oder dehnen durchgeführt. Die Mädchen unterstützen sich hierbei gegenseitig, indem sie beispielsweise füreinander übersetzten, wenn mal jemand etwas nicht versteht.

Zu guter Letzt runden wir die Thematik nochmals durch kreative Selbstgestaltung ab. Hierauf freuen sich die Mädchen häufig am meisten. Ein Beispiel der Angebote ist die Gestaltung eines individuellen „Erinnerungsglases“. Hierbei geht es darum, positive Erfahrungen auf einen Zettel zu schreiben und diese über längere Zeit in dem Glas zu sammeln. Zum Abschluss haben wir häufig eine Runde Stopptanz oder Stuhltanz gespielt. Dies schaffte einen positiven Abschluss des Treffens, welches uns aufgrund der teilweise tiefgründigen Themen wichtig war. Um die Partizipation der Mädchen zu fördern, haben wir immer einen „Postkasten“ zur Verfügung gestellt, in welchem sie anonym Fragen, Anregungen oder Ideen hinterlassen konnten (siehe Foto). Beim nächsten Treffen greifen wir diese dann auf und sprechen gemeinsam darüber. Die Inhalte dessen reichen von persönlichen Fragen nach unserem Beziehungsstatus bis zu Bitten gemeinsam ins „Jump-House“ zu gehen.

Obwohl uns zu Beginn des Projektes kommuniziert wurde, dass es schwierig werden könnte Ausflüge mit den Mädchen zu machen, haben wir die Erfahrung gemacht, dass ausnahmslos alle Teilnehmerinnen erscheinen. Die Ausflüge stellen für sie ein Highlight dar, wofür sie sich optisch schick machen und einen kleinen Rucksack mit Proviant mitbringen. Sie sind enttäuscht, wenn wir lediglich zu Fuß einen anderen Ort besuchen und nicht etwa mit der S-Bahn fahren. Unseren ersten Ausflug machten wir zu einem fußläufigen Jugendclub mit einer Fokussierung auf Musik. Dies war für unsere Gruppe optimal, da viele der Mädchen sehr interessiert an Gesang oder dem Spielen von Instrumenten sind. Vor Ort konnten sie verschiedene Instrumente ausprobieren. Insbesondere bei dem Schlagzeug waren viele anfangs zurückhaltend, später ließen sie sich aber kaum mehr davon lösen. Einige haben sogar auf der vorhandenen Bühne mit einem Mikrofon gesungen (siehe Fotos). Wir konnten feststellen, dass die Mädchen sich dabei aktiv gegenseitig unterstützten. Manche haben die dortige Sozialarbeiterin um einen Flyer gebeten und mehrmals betont, dass sie unbedingt wieder kommen wollen. Die Sozialarbeiterin des Jugendclubs war ebenfalls froh über unseren Besuch und hatte viele Ideen für eine weitere Zusammenarbeit mit den Mädchen. So offenbarte sich für einige der älteren Mädchen die Möglichkeit eine gemeinsame Band zu eröffnen und regelmäßig in dem Jugendclub zu proben. In den Osterferien ist unteranderem ein Ausflug zu einem nahegelegenen Boxverein geplant, bei welchem wir einen mehrstündigen Workshop besuchen werden.

Im Großen und Ganzen haben wir also mehrere positive Entwicklungen verzeichnen können. Wir konnten feststellen, dass obwohl die Mädchen teilweise schon sehr lange gemeinsam in der Unterkunft wohnen, es zu Anfang Berührungsängste gab aber sich im Laufe des Projektes neue Freundschaften bilden konnten. Des Weiteren wird die Kommunikation innerhalb der Gruppe immer offener und es wird somit stets leichter bestimmte Thematiken zu besprechen. Aus diesem Grund ist es uns eine Herzensangelegenheit das Projekt zu verlängern, denn wir haben das Gefühl, dass wir durch die geschaffene Vertrauensbasis nun intensiver in die Thematiken einsteigen können.

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