- Kochen und Gärtnern mit geflüchteten Kindern: Was Wir Gemacht und Gelernt Haben. - November 24, 2025
1.Einleitung
Das Projekt „Kochen und Gärtnern mit geflüchteten Kindern“ wurde im Zeitraum von Februar bis November 2025 in einem Übergangswohnheim in Brandenburg erfolgreich umgesetzt. Das Projekt wurde durch die Unterstützung der IKEA-Stiftung ermöglicht. Ziel war es, geflüchteten Kindern grundlegende und praktische Kompetenzen im Bereich nachhaltiger Ernährung und Gartenbau zu vermitteln. Darüber hinaus sollte das Projekt den Kindern einen geschützten, fördernden und gemeinschaftlich gestalteten Lernraum bieten, der sowohl ihre persönliche Entwicklung als auch ihre soziale Integration unterstützt.
Die Ausgangssituation war geprägt von besonderen Belastungen, mit denen geflüchtete Kinder und ihre Familien in Übergangsunterkünften konfrontiert sind. Viele Kinder haben in kurzer Zeit erhebliche biografische Brüche erlebt, die sich auf ihre psychische Stabilität, ihr Lernverhalten und ihre soziale Teilhabe auswirken. Hinzu kommt häufig ein eingeschränkter Zugang zu Bildungs- und Freizeitangeboten, zu gesunden Lebensmitteln und zu sicheren Begegnungsräumen.

Das Projekt reagierte auf diese Herausforderungen, indem es ein niedrigschwelliges, praxisorientiertes Bildungsangebot schuf, das auf spielerische Weise Kompetenzen vermittelt und Erfolgserlebnisse ermöglicht. Durch die Verbindung von Gartenarbeit, gemeinschaftlichem Kochen und umweltpädagogischen Aktivitäten konnten die Kinder Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen, Verantwortung übernehmen und den Wert von Gemeinschaft und Nachhaltigkeit unmittelbar erfahren.
2. Durchführung
Die Projektgruppe bestand aus 10 bis 12 Kindern im Alter zwischen 10 und 13 Jahren, die in der Unterkunft lebten. Zu Beginn war die Gruppe geschlechtergemischt; im Verlauf der ersten Wochen kristallisierte sich jedoch eine reine Jungengruppe heraus, was zu spannenden gruppendynamischen Entwicklungen führte. Die Kinder wurden über den gesamten Projektzeitraum hinweg wöchentlich für drei Stunden von den Projektleiterinnen Mia von Knobelsdorff und Kim Blokland betreut und begleitet.
2.1 Aufbau und Gestaltung des Gartenbereichs
Ein zentrales Element des Projekts war die Neugestaltung des Außenbereichs der Unterkunft. Nach der Installation von Hochbeeten, die von externen Anbietern bezogen wurden, gestalteten die Kinder den Garten eigenständig weiter. Gemeinsam entschieden sie über die Bepflanzung mit verschiedenen Gemüse- und Kräutersorten und übernahmen Verantwortung für die Pflege der Beete.
Regelmäßige Arbeitseinheiten umfassten das Säen, Gießen, Jäten, Beobachten des Pflanzenwachstums sowie schließlich das Ernten und Verarbeiten der eigenen Produkte. Dabei wurden die Kinder in grundlegende Prinzipien des ökologischen Gartenbaus eingeführt und entwickelten ein Bewusstsein für natürliche Kreisläufe und nachhaltige Ressourcennutzung.
2.2 Kochen und Ernährungsbildung
Parallel zur Gartenarbeit fanden regelmäßig Kochworkshops statt, in denen die Kinder lernten, einfache, gesunde und nachhaltige Mahlzeiten zuzubereiten. Neben Gemüse aus eigenem Anbau wurden auch regionale und saisonale Zutaten verwendet.

Die Kinder erlernten Grundtechniken der Küchenarbeit, vom Waschen und Schneiden über hygienisches Arbeiten bis hin zum Abschmecken und Servieren. Darüber hinaus wurden Themen wie gesunde Ernährung, Lebensmittelverschwendung und nachhaltiger Konsum anschaulich und alltagsnah vermittelt. Besonders motivierend wirkte die Möglichkeit, die gemeinsam zubereiteten Mahlzeiten im Anschluss zusammen zu essen und über Geschmack, Zutaten und Herkunft zu sprechen.
2.3 Begleitende Bildungs- und Freizeitaktivitäten
Zur Vertiefung der Themenbereiche Umweltbildung und Nachhaltigkeit wurden theoretische und kreative Einheiten angeboten. Dazu gehörten:
- Workshops zu Kompostierung, Recycling und gesunder Ernährung,
- kreative Angebote wie das Basteln von Pflanzenschildern oder das Gestalten von nachhaltigen Stoffbeuteln,
- Exkursionen zur Domäne Dahlem, ins Naturkundemuseum, zur Waldschule Zehlendorf sowie ins Freibad, die Erlebnisse außerhalb des Unterkunftsalltags ermöglichten und das Gruppengefühl stärkten.

Diese Aktivitäten verbanden Lernen, Bewegung und Freude und trugen entscheidend dazu bei, die Kinder langfristig für Umwelt- und Ernährungsthemen zu sensibilisieren.
3. Ergebnisse und Wirkungen
3.1 Ernährungsbildung
Die Kinder erwarben grundlegendes Wissen über gesunde Ernährung, Lebensmittelverarbeitung und nachhaltige Lebensmittelauswahl. Viele berichteten, dass sie zu Hause folgend häufiger beim Kochen helfen oder neue Gemüsesorten ausprobieren, die sie zuvor nicht kannten. Auch die Eltern äußerten in Gesprächen, dass das Interesse der Kinder am Kochen und an gesunder Ernährung deutlich zugenommen habe.
3.2 Umweltbewusstsein
Durch die Pflege der Hochbeete entwickelten die Kinder ein nachhaltiges Verantwortungsgefühl für Pflanzen, Natur und Umwelt. Sie lernten, natürliche Wachstumsprozesse zu verstehen und die Bedeutung von Pflege, Geduld und Achtsamkeit zu erkennen. Das Wissen um den Wert selbst angebauter

Lebensmittel stärkte ihr Verständnis für ökologische Zusammenhänge und sensibilisierte sie für einen achtsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen.
3.3 Praktische und soziale Kompetenzen
Die Kinder verbesserten ihre motorischen, organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten deutlich. Das Schneiden von Gemüse, das Kochen in Gruppen und das Planen gemeinsamer Aufgaben erforderten Teamarbeit, Absprachen und gegenseitige Rücksichtnahme. Im Verlauf des Projekts zeigte sich eine spürbare Steigerung der Selbstständigkeit, des Verantwortungsbewusstseins und des Selbstvertrauens der Kinder.
Besonders bedeutsam war die soziale Entwicklung innerhalb der Gruppe: Viele der Jungen kannten sich zu Beginn des Projekts kaum oder gar nicht. Durch die regelmäßige Zusammenarbeit, gemeinsame Erfolgserlebnisse und das Teilen von Mahlzeiten konnten neue Freundschaften entstehen. Diese neu geknüpften Beziehungen trugen wesentlich zu einer positiven Gruppendynamik, zu gegenseitiger Unterstützung und zu einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl bei.
3.4 Erlebnisorientiertes Lernen und kulturelle Teilhabe
Die durchgeführten Exkursionen, unter anderem zur Domäne Dahlem, ins Naturkunde-museum, zur Waldschule Zehlendorf und ins Freibad, waren bei den Kindern besonders beliebt. Viele von ihnen besuchten im Rahmen des Projekts erstmals ein Museum oder einen außerschulischen Lernort. Diese Ausflüge eröffneten ihnen neue Erfahrungsräume außerhalb des Unterkunftsalltags, weckten Neugier und
3.5 Gemeinschaftlicher Nutzen
Interesse an neuen Themen und stärkten zugleich das Gruppenerlebnis. Die positiven Rückmeldungen der Kinder zeigten, dass diese Erlebnisse nicht nur als Abwechslung, sondern als echte Bereicherung wahr-genommen wurden.

Der neugestaltete Gartenbereich wird mittlerweile regelmäßig von anderen Bewohner*innen der Unterkunft genutzt. Er dient als Begegnungs- und Erholungsort, fördert das Miteinander und trägt zu einer positiven Atmosphäre auf dem Gelände bei. Damit entfaltet das Projekt eine nachhaltige Wirkung, die weit über die eigentliche Projektgruppe hinausreicht und das soziale Gefüge der Unterkunft langfristig stärkt.
4. Herausforderungen und Lernerfahrungen
Die Arbeit mit einer heterogenen Gruppe geflüchteter Kinder im schulpflichtigen Alter brachte eine Reihe pädagogischer, organisatorischer und sozialer Herausforderungen mit sich, die zugleich wertvolle Lernprozesse und Entwicklungsimpulse boten.
Zu Beginn des Projekts kam es häufig zu Konflikten, Streitigkeiten und auch körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den teilnehmenden Jungen. Diese Spannungen waren teilweise Ausdruck der beengten Lebensverhältnisse in der Unterkunft, fehlender Rückzugsmöglichkeiten und allgemeiner Unsicherheiten im sozialen Miteinander. Durch klare Regeln, konsequente Grenzsetzung und den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehungsebene konnte das Konfliktverhalten im Verlauf des Projekts deutlich reduziert werden.

Darüber hinaus traten geschlechter- und diversitätsbezogene Herausforderungen auf. Mehrfach äußerten einzelne Teilnehmer abwertende Kommentare gegenüber Frauen oder queeren Personen. So wurde beispielsweise bei einem Ausflug eine Regenbogenflagge bespuckt, und es fielen wiederholt Bemerkungen wie „Frauen können kein Fußball spielen“ oder „Das ist nichts für Mädchen“. Diese Situationen machten deutlich, wie stark manche der Kinder bereits stereotype oder diskriminierende Denkmuster übernommen hatten.
Das Projektteam reagierte darauf mit pädagogischer Sensibilität und konsequenter Haltung: In Gesprächen, Rollenspielen und Alltagssituationen wurden Gleichberechtigung, Respekt und Vielfalt thematisiert. Es wurde großen Wert darauf gelegt, diskriminierendes Verhalten weder zu tabuisieren noch zu sanktionieren, sondern als Lernanlass zu nutzen. Die Kinder konnten so Schritt für Schritt alternative Sichtweisen kennenlernen und respektvolles Verhalten in der Gruppe erproben.

Ein weiteres Merkmal der Gruppe war ein sehr hohes Energielevel der Jungen, das sich in Bewegungsdrang, Unruhe und eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit bei inhaltlichen Inputs zeigte. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, integrierten die Projektleiterinnen bewegungsorientierte Einstiegsphasen, insbesondere Fußballspiele zu Beginn der Treffen. Diese dienten der Entlastung, dem sozialen Ausgleich und der Förderung des Team-geists. Nach diesen aktiven Phasen gelang es in der Regel deutlich besser, die Aufmerksamkeit der Kinder für die anschließenden inhaltlichen und praktischen Einheiten zu gewinnen.
Neben diesen pädagogischen Herausforderungen stellten auch organisatorische Aspekte eine Belastung dar: Die Materialbeschaffung, der Transport und die Koordination mit dem Unterkunftspersonal erforderten viel Zeit und Flexibilität. Auch äußere Faktoren wie Witterungseinflüsse – etwa lange Trockenperioden – beeinflussten den Verlauf der Gartenarbeit und machten Anpassungen notwendig.

Trotz dieser Herausforderungen konnte das Projektteam durch eine Kombination aus klaren Strukturen, Empathie, Humor und konsequenter Beziehungsarbeit eine stabile und
lernförderliche Atmosphäre schaffen. Gerade die anfänglich schwierigen Gruppendynamiken entwickelten sich im Verlauf des Jahres zu einer Stärke: Die Kinder lernten, Konflikte friedlich zu lösen, respektvoll miteinander umzugehen und Verantwortung füreinander zu übernehmen.
5. Fazit
Das Projekt „Kochen und Gärtnern mit geflüchteten Kindern“ hat noch mal verdeutlicht, welches Potenzial in praxisorientierten, gemeinschaftlich gestalteten Bildungsangeboten liegt. Über den Zeitraum von zehn Monaten konnten die teilnehmenden Kinder nicht nur grundlegende Kenntnisse in den Bereichen Ernährung, Gartenbau und Nachhaltigkeit erwerben, sondern vor allem soziale, emotionale und kulturelle Lernerfahrungen machen, die weit über die eigentlichen Projektinhalte hinausgehen.
Die Kombination aus Gartenarbeit, Kochen und begleitender Umweltbildung erwies sich als besonders wirksam, um Handlungsorientierung, Selbstwirksamkeit und Gemeinschaftserleben miteinander zu verbinden. Viele der Kinder, die zu Beginn des Projekts über wenig Selbstvertrauen und eingeschränkte soziale Kompetenzen verfügten, entwickelten im Laufe der Monate ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein und Stolz auf ihre eigenen Fähigkeiten. Das sichtbare Ergebnis, die selbst angelegten und gepflegten Hochbeete, war für sie ein greifbarer Beweis, dass ihr Engagement Wirkung zeigt.

Darüber hinaus wurde deutlich, dass niedrigschwellige Bildungsangebote wie dieses einen wichtigen Beitrag zur psychosozialen Stabilisierung geflüchteter Kinder leisten können. Durch das regelmäßige Treffen, die vertrauten Bezugspersonen und die wiederkehrenden Rituale entstand ein verlässlicher Rahmen, der Sicherheit und Orientierung bot. Dieser geschützte Raum ermöglichte es den Kindern, ihre oft hohen Energielevel konstruktiv einzusetzen, Emotionen auszudrücken und im gemeinsamen Tun soziale Regeln und Rücksichtnahme zu erlernen.
Ein besonderes pädagogisches Verdienst des Projekts liegt darin, dass auch herausfordernde Themen wie Konfliktbewältigung, Geschlechterrollen und Diversität sensibel aufgegriffen und in positive Lernprozesse überführt wurden. Situationen, in denen diskriminierende oder aggressive Verhaltensweisen auftraten, wurden nicht ausgeblendet, sondern als pädagogische Chancen genutzt, um Werte wie Gleichberechtigung, Empathie und Respekt erfahrbar zu machen. Diese Haltung des Teams, konsequent, aber dialogorientiert, führte langfristig zu einer spürbar respektvolleren Gruppenkultur und zu einer Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses unter den Teilnehmenden.