Im Rahmen des Projekts “Clicks for Politics” organsierten wir zusammen mit der Jugendbasis Alpha1 JuS eV. (?!) einen einwöchigen Workshop vom 14.-18. Oktober. Das von der Bundeszentrale für politische Bildung finanzierte Projekt zielt darauf ab, Jugendliche zu motivieren sich mehr mit politischer Kultur auseinanderzusetzen. Dafür sollen sie im Laufe des Projekts eigenständig ein deliberatives Event über ein selbst gewähltes Thema organisieren. Im Vorlauf dieses Events soll mithilfe eines Instagram-Accounts ein Bewusstsein und Interesse für das gewählte Thema geweckt werden.
Außer uns Moderatoren von Social Science Works waren außerdem noch zwei Sozialarbeiter und eine europäische Freiwillige vor Ort. Die neun Teilnehmenden sind zwischen 14 und 18 Jahren alt und kommen alle aus dem Umfeld von Fürstenwalde. Die gesamte Gruppe war in der Jugendausbildungsstätte Hirschluch, in der Nähe von Fürstenwalde, untergebracht. Die Wochentage teilten wir in jeweils zwei Abschnitte ein: Am Vormittag von 10:00-12:30 und am Nachmittag von 14:00-16:30.
Montag
Am ersten Tag des Workshops wurde den Jugendlichen die Arbeit von Social Science Works und unser Projekt vorgestellt. Außerdem befragten wir sie nach ihrer Nutzung von sozialen Medien, wobei alle sagten, bereits einen privaten Instagram-Account zu haben.
Einen großen Teil des Vormittags nahm die Einführung in die Methode der Deliberation ein. Wir setzten dabei den Schwerpunkt auf deren Grundlagen und Mehrwert durch dessen Benutzung. So sind beispielsweise gegenseitiger Respekt und das Ernstnehmen aller Teilnehmenden essentiell für den Erfolg einer Deliberation. Ihren Mehrwert beweist diese Methode insbesondere bei Gesprächen über kontroverse Thematiken, durch die bei Menschen ein neues Verständnis für andere Positionen und Perspektiven und folglich auch die Grundlage für Kompromisse geschaffen werden. Als ein Beispiel gelungener Deliberation sprachen wir über die Bürgerversammlung zum Thema Abtreibung in Irland.
Nach der Mittagspause deliberierten wir mit den Jugendlichen „Identität“. Dabei standen Fragen im Mittelpunkt, wie welche Werte und Eigenschaften einen Menschen überhaupt ausmachen und welche von der Gesellschaft als wichtig erachten werden (sollten). Auch fragten wir danach, inwiefern sich die eigene Identität im Laufe der Zeit verändert und dementsprechend auch über die Entwicklung des sozialen Umfelds eines Menschen mitbestimmt. Hier redeten wir auch über die Bedeutung von „Selbstbestimmung“.
Abschließend arbeiteten wir gemeinsam den Zusammenhang zwischen verschiedenen Verständnissen von „Identität“ und „Extremismus“ heraus. So schlussfolgerten wir, dass rechtsradikale Bewegungen, sowie Islamisten, bestimmte Merkmale wie Herkunft oder Religion benutzen, um auf deren Basis Menschen auszugrenzen.
Am Ende des ersten Tags erkannten wir, dass es den Jugendlichen anfangs schwer fiel Deliberation als Konzept zu begreifen. Sie empfanden das Konzept als sehr theoretisch und wenig relevant für ihr eigenes Leben.
Dienstag
Den zweiten Tag begannen wir mit der Frage, was denn Demokratie sei und veranstalteten auf dessen Basis ein deliberatives Seminar. Als erste Antworten auf diese Frage wurden Wahlen und das Mehrheitsprinzip genannt. Allerdings wurde den Jugendlichen schnell bewusst, dass diese beiden Aspekte nicht der eigentliche Kern einer Demokratie sind. Wir konfrontierten sie mit einer fiktiven Partei, die allen Männern das Wahlrecht entziehen möchte. Anhand dieses Beispiels veranschaulichten wir die Rolle von Grundrechten und Minderheiten hinsichtlich einer Definition von Demokratie. Im Zuge unserer Auseinandersetzung mit verschiedenen Parteien kam übrigens immer wieder die Idee eines demokratischen Einparteienstaates auf. Wir behandelten weiterhin auch die Rolle der Medien und der Pressefreiheit.
Am zweiten Teil des Tages befassten sich die Jugendlichen mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie hatten sich bereits vorher Gedanken zu diesem Thema gemacht und nannten beispielsweise die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern als eine Form der Geschlechterdiskriminierung.
Die weitere Diskussion führte uns dann zu typisch männlichen und typisch weiblichen Berufsgruppen und allgemeinen Geschlechterstereotypen. Die Jugendlichen interessierten sich sehr für die negativen Effekte und Internalisierung von Erwartungen aufgrund dieser Stereotypen. Im Laufe unseres Gesprächs wurde Gleichberechtigung von den Jugendlichen als für alle Menschen vorteilhaft verstanden.
Danach präsentierten wir der Gruppe die Geschichte der Frauenrechte in Deutschland. Alle mussten sich in kleinere Gruppen einteilen und einzelne Zeitabschnitte der Geschichte wählen, zu diesen recherchieren und die Ergebnisse den anderen Gruppen präsentieren. Viele Jugendliche waren beeindruckt von dem Fortschritt des letzten Jahrhunderts.
Zum Abschluss des Tages zeigten wir den Film „Oppressed Majority“. In dem Film werden die Rollen der Geschlechter vertauscht, eine Welt in der Frauen eine dominante Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Der Film thematisiert Sexismus, Diskriminierung, sexuelle Belästigung und geschlechtliche Gewalt. Die Jugendlichen diskutierten nach dem Screening ihre Reaktionen und Meinungen zum Film.
Mittwoch
Das Thema des dritten Tages war die pluralistische Gesellschaft als Grundlage für Demokratie. Wir präsentierten hier als zentralen Punkt den Unterschied zwischen Pluralismus, Monismus und Relativismus. Wir besprachen hier außerdem die Rolle von Werten und Grundrechten, insbesondere als Grenzen der Meinungsfreiheit. Um diese Punkte zu vertiefen, nutzten wir das fiktive Land „Bubig“, in dem nur Mädchen Schulbildung erhalten und Jungen Kinderarbeit leisten müssen. Die Jugendlichen sollten in einem Rollenspiel eine dieser beiden Positionen einnehmen: Entweder haben sie als Deutsche nicht das Recht andere Kulturen zu kritisieren oder sie haben sogar die Pflicht „Bubig“ zu verurteilen.
Nachmittags haben wir mit der Gruppe verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung und positive Effekte politischer Teilhabe besprochen. Hier teilten wir die Jugendlichen in kleinere Gruppen auf, um zu diesen Themen Nachforschungen anzustellen und danach die Ergebnisse zu präsentieren. Am Ende des Tages sprachen wir über das Ziel des Projektes, das vorsieht, dass die Gruppe ein eigenes Event zu einem selbst ausgesuchten Thema organisiert.
Donnerstag
Am Donnerstag sprachen wir über die Nutzung von Social Media, insbesondere über die Möglichkeiten von Instagram, als Werkzeug für politische Kampagnen. Der zweite Teil des Workshops unterschied sich in Inhalt und Methode vom ersten, da wir nun nicht mehr über politische Bildung diskutierten, sondern es hier um die Aneignung technischer Fähigkeiten ging.
Nach der Einführung in dieses Thema teilten wir die Jugendlichen wiederum in kleinere Gruppen auf. Jede Gruppe sollte sich ein Thema ihrer Wahl aussuchen und wir beschränkten die Bandbreite der Themen hier nicht. Zwei Gruppen entschieden sich für Umwelt- und Tierschutz (@animalnatureproject und @goodlifeanimals) und die dritte Gruppe für ausgewogene Ernährung (@millenial_food).
Nach unserer Pause setzten wir den Tag mit einer Vertiefung des Themas Instagram fort. Wir erklärten den Jugendlichen, wie man einen Business-Account auf Instagram eröffnet und sie die Bilder und Biographien entsprechend gestalten können, sowie worauf sie beim Aufbau des Profils achten müssen. Zentral war hier die inhaltliche und optische Konsistenz, weswegen wir der Gruppe zeigten, dass sie darauf achten müssen, das konkrete Ziel ihrer Kampagne nicht aus den Augen zu verlieren. Aus diesem Grund sollten sie sich auch Gedanken darüber machen, welche Zielgruppe sie ansprechen möchten.
Freitag
Am letzten Tag des Workshops setzten wir unsere gemeinsame Arbeit an dem visuellen und inhaltlichen Konzept der Instagram-Profile fort. Wir forderten die Jugendlichen dazu auf, sechs Bilder zu posten und in den Beschreibungen etwas zu ihrem Thema zu schreiben. Anschließend werteten wir die Ergebnisse aus und die Gruppen tauschten ihre Erfahrungen mit dieser Aufgabe aus.
Zum Abschluss der Woche gaben wir der Gruppe Zeit sich Gedanken über eine mögliche eigene Kampagne zu machen. Sie diskutierte gemeinsam über verschiedene Themenbereiche und Konzepte, die in Frage kommen würden. Hier setzten die Jugendlichen im Diskussionsverlauf bereits ihre erlernten Techniken der Deliberation in die Praxis um.
Am meisten Zuspruch fand die Idee, die Lage der Jugendlichen in Fürstenwalde zu thematisieren. Allerdings baten sie uns um mehr Zeit, weshalb wir noch keine konkreteren Pläne festlegten.
Der Workshop in Hirschluch hat bei allen Teilnehmenden das Verständnis für Demokratie erweitert und ihnen den Wert einer offenen und konstruktiven Diskussion dargestellt. Sie haben die Erfahrung gesammelt, dass es möglich ist, über verschiedenste Themen zu sprechen und eigene politische Meinungen zu vertreten, ohne andere persönlich anzugreifen. Der gesamten Gruppe wurden Fähigkeiten vermittelt, um produktiv Meinungen zu gesellschaftlichen Themen einzubringen und dass sowohl off- als auch online.
Philipp Bautz
(mit Dank an Maxime Kuhlmey)