Mein Lieblingspodcast Der Tag vom Deutschlandfunk widmete sich am 24. Januar der Frage „Psychische Gesundheit Blinder Fleck in der Geflüchtetenhilfe?“ Die Fragestellung lautete: „Die Messerattacke in Aschaffenburg wirft die Frage auf, wie es um die psychologische Betreuung von Geflüchteten steht.“

Ab 2021 haben wir, die NGO Social Science Works, umfangreiche Untersuchungen zu den Lebensbedingungen und Perspektiven von Flüchtlingen durchgeführt, die hauptsächlich in sogenannten „Übergangsheimen“ untergebracht sind. Diese Untersuchungen in Brandenburg haben ergeben, dass der sehr lange Aufenthalt in diesen Heimen die Menschen buchstäblich krank macht, sowohl physisch als auch psychisch. Es handelt sich um Hunderttausende von Menschen, die von Politik und Medien weitgehend vergessen wurden. Wir berichteten von unbehandelten Traumata, erzwungener Apathie und Lethargie, extrem schlechten Wohnverhältnissen, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, kafkaesker Bürokratie, Schlaflosigkeit, Depressionen und anderen psychischen Beschwerden. Nach Angaben der beteiligten Heimleiter und Sozialarbeiter waren inzwischen etwa 10 Prozent der Bewohner so traumatisiert, dass die Chancen, jemals wieder ein eigenständiges Leben aufbauen zu können, äußerst gering geworden waren. Psychologische Hilfe war kaum oder gar nicht vorhanden. Problemfälle wurden von Heim zu Heim geschickt oder für einige Zeit in Polizeigewahrsam genommen.

Unsere Ergebnisse haben wir sehr ausführlich auf unserer Website veröffentlicht. Außerdem geschah dies u.a. in dem Buch Migrationspolitik auf der Flucht: Erfahrungen von Neuankömmlingen mit Untätigkeit, Trägheit und Gleichgültigkeit (Bielefeld: Transcript. November 2023).  Dieses Buch wurde anschließend (auf unsere Kosten) den zuständigen Politikern und Entscheidungsträgern auf der Ebene des Kreistages (Teltow-Fläming), des Landtages Brandenburg und des Bundestages zur Verfügung gestellt. Auch die Medien, sowohl die Printmedien als auch Rundfunk, sind ausführlich über unsere Forschung berichtet worden.

Doch alle Journalisten, Politiker und Entscheidungsträger, die wir angeschrieben haben, waren total gleichgültig gegenüber unseren Erkenntnissen, Warnungen und Empfehlungen. In guter deutscher Sitte schauten sie weg, ignorierten und meldeten dann später „das haben wir nicht gewusst“. Weitere Forschungsanfragen von uns, den Überbringern der schlechten Nachrichten, wurden abgelehnt. Wir hatten uns in die eigene Suppe gepisst. Unsere Forschung wurde auf halber Strecke von der Landrätin von Teltow-Fläming torpediert, weil schon im Zwischenbericht klar war, dass die Ergebnisse nicht erfreulich sein würden. Wir mussten die Studie auf eigene Kosten fertigstellen und veröffentlichen. Politiker wie die Integrationsbeauftragten von Brandenburg, Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming und die zuständigen Referenten für Migration und Integration von CDU, SPD, Linke, FDP und Grünen im Kreistag, Landtag und Bundestag haben unser Angebot, persönlich vorbeizukommen und unsere Ergebnisse zu erläutern, nicht angenommen (nur die SPD im Brandenburger Landtag wollte mit uns reden, dafür ein Lob). Unsere Untersuchung wurde völlig ignoriert, auch von den Medien in Brandenburg (Märkische Allgemeine Zeitung; RBB; PNN), die vor allem ihr gutes Verhältnis zur Politik nicht gefährden wollten.

Dann laufen einige psychisch gestörte Flüchtlinge mit Messern herum. Der ganze Diskurs wechselt daraufhin von „wie integrieren wir die Menschen“ zu „wie können wir Flüchtlinge so schnell wie möglich abschieben“. Und fast alle machen mit. Eine erschütternde intellektuelle, moralische und politische Armutszeugnisse. Verantwortlich dafür ist nicht nur die Politik, die Jahr für Jahr Probleme lieber ignoriert und leugnet und, wenn die Probleme schließlich nicht mehr zu leugnen sind, scheinbar nicht anders zu denken vermag, als die Grenzen zu schließen. Die Ausländer sind an allem schuld, wir selbst haben alles richtig gemacht. Die Verantwortung liegt aber auch bei den Medien. Für Forscher, so kann ich nach 15 Jahren in Deutschland feststellen, ist es fast unmöglich, Forschungsergebnisse an die Presse heranzutragen. In weiten Teilen Deutschlands, sicher auch in Brandenburg, gibt es überhaupt keine Öffentlichkeit. Das führt dazu, dass sich die Politik alles erlauben kann. Keiner merkt es. Und Scheiß egal ist sowieso jeder. So kann ich Schlagzeilen wie „Psychische Gesundheit Blinder Fleck in der Geflüchtetenhilfe?“ nur mit Empörung lesen.

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