- Migrationspolitik auf der Flucht rezensiert durch Simon Kolbe - April 10, 2025
- Neues Projekt: Kochen & Gärtnern für geflüchtete Kinder - Februar 18, 2025
- Psychische Gesundheit Blinder Fleck in der Geflüchtetenhilfe? - Januar 31, 2025
Seit 2022 veröffentlichen wir auf unserer Website Interviews mit Flüchtlingen. Wir wollten ihre Geschichten kennenlernen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen: Woher kommen die Menschen, warum haben sie ihre Heimat verlassen und Deutschland als Ziel gewählt, wie sind sie gekommen, was möchten sie in ihrer neuen Heimat erreichen, auf welche Probleme stoßen sie, um ihre Ziele zu erreichen, wie sieht ihr Alltag aus? Mit der Veröffentlichung dieser Geschichten hofften wir, den Flüchtlingen ein Gesicht zu geben und ein wenig Empathie, Verständnis und Respekt zu fördern. Die Geschichten wurden von vielen Menschen auf der ganzen Welt gelesen, leider aber weniger von deutschen Bürgern.
Die Geschichten wurden nicht nur für persönliche Zwecke gelesen. Mehrere Lehrer in verschiedenen Ländern haben die Interviews in ihrem Unterricht zur politischen Bildung verwendet. Andere nutzten sie für ihre eigenen Forschungen zu Migration und Integration. Am bemerkenswertesten ist bisher wohl das Theaterstück des Performance Art Theatre der Kunstakademie in Novi Sad in Serbien (Pozorište Promena). Das Stück basiert auf den in den Interviews erzählten Geschichten. Vor allem die beeindruckende Geschichte von Hamdiya inspirierte die Schauspieler Nevena Erić, Sanja Banićević, Dunja Mikić, , Relja Štiglić, Vasilije Pačariz, Kuzman Krstović, Sergej Petrović, Stefan Simić.
Tamara Nikolić korrespondiert mit mir seit Anfang 2024 über das Stück. Im Folgenden werde ich aus dieser Korrespondenz zitieren, um einen Eindruck von den Erfahrungen ihrer Theatertruppe zu vermitteln.
Tamara schrieb, das Ziel des Stücks sei es, „die Reise [der Migranten] und alles, was ihnen begegnet und was sie durchmachen, bis sie ihr gewünschtes Ziel erreichen, den Menschen nahezubringen, die nichts darüber wissen… In unserem Land haben die Menschen eine negative Einstellung gegenüber Flüchtlingen oder sind reserviert, weil sie nichts über sie wissen. Außerdem gibt es viele Fake News, die sich verbreiten und noch mehr Abscheu erzeugen. Das wollen wir so gut es geht ändern.“
Nach ihrem Stück befragt die Theatertruppe normalerweise die Zuschauer nach ihren Gedanken und Gefühlen zu dem Stück. Nach der ersten Aufführung schrieb Tamara: „Die Menschen waren berührt, was unser Ziel war. Einige von ihnen sagten uns, dass sie nicht mehr die Straße überqueren werden, wenn sie Flüchtlinge sehen, sondern ihnen helfen werden. Sie sagten uns, dass ihr Bewusstsein für die Welt, in der wir heute leben, und für das, was seit Jahren geschieht, erweitert wurde. Es kann jeden treffen und wir sollten nicht urteilen. Wir sind froh, dass die Menschen positiv reagiert haben und dass es uns gelungen ist, einige Vorurteile abzubauen.“
Am Anfang, während des Schreibens des Stücks, haben die Schauspieler die Hintergründe der Flüchtlinge eingehend studiert, „indem sie die Länder, aus denen sie kommen, ihre Kultur, ihre Religion, die politische Situation in Europa gegenüber Flüchtlingen usw. recherchierten. Während des Prozesses haben wir alle Szenen, die in den Geschichten erwähnt werden, nachgestellt, z. B. Grenzpolizei, Schiffe, Flüchtlingslager, Gewalt… Mit der Zeit haben wir gemerkt, dass all das von den Geschichten und ihrer Aussage ablenkt, also haben wir alles weggeworfen. Am Ende saßen wir in einer Reihe, ganz in Schwarz gekleidet, und erzählten die Geschichten dieser Menschen. Es sind nur noch zwei Geschichten übrig, die gemeinsame Szenen haben, wie das Schiff und die Flucht vor der Polizei. Wir haben auch einige passende Lieder eingebaut, sie dienten uns vor allem als Bindeglied zwischen den Geschichten. Wir
haben auch an einigen Stellen Gitarre gespielt, wo es zur Geschichte beitragen konnte. Die Aufführung dauerte zwei Stunden und zehn Minuten. Wir haben drei Abende hintereinander gespielt. Der erste und der letzte Abend waren voll, und am zweiten Tag hatten wir vier Leute. Wir wollten die Aufführung so intim wie möglich gestalten, so dass wir Platz für 24 Personen haben. Im Publikum saßen Professoren und Studenten unserer Hochschule.
Nach der Aufführung sprachen wir immer mit ihnen, sie sagten uns, woran wir schauspielerisch arbeiten müssten, aber der Haupteindruck war natürlich das Thema, das wir behandelten, es war für einige Leute sehr belastend. Flüchtlinge werden in den Medien nicht so dargestellt, wie wir es versucht haben, genauer gesagt haben wir nur ihre Geschichten erzählt. Die Wahrheit aus ihrer Perspektive.“
Nachdem die Theatergruppe sieben Mal in Novi Sad gespielt hatte, ging sie nach Zagreb: „Es war wunderbar in Zagreb, der größte Saal und das größte Publikum, das wir bisher hatten. Und das Publikum hat gut reagiert, wir hatten auch ein Gespräch nach der Show mit Leuten, die über unseren Prozess, Geschichten usw. sprechen wollten… Wir werden ab Oktober in unserem Studententheater weiterspielen. Ihr könnt auf Instagram nachsehen, wenn ihr wollt @pozoristepromena (Theatre Change)… Nach der letzten Vorstellung kontaktierte uns ein Mädchen, um zu fragen, wie sie den Flüchtlingen helfen kann, und sie sagte uns, dass eine der Geschichten sie zu einem Kunstwerk inspiriert hat.“